Was ist Sinusitis wirklich?

Als HNO-Arzt, der seit 2001 in diesem Fachgebiet tätig ist, stoße ich häufig auf einige weit verbreitete Missverständnisse in der Gesellschaft in Bezug auf Sinusitis. Besonders Aussagen wie „Ich habe Kopfschmerzen, bestimmt ist meine Sinusitis zurückgekehrt“ oder „Bei mir wurde einmal Sinusitis diagnostiziert, jetzt muss ich mein Leben lang damit leben“ zeigen die Verwirrung über Diagnose und Verlauf der Sinusitis.

Dabei ist Sinusitis weder ein einfacher Kopfschmerz noch ein dauerhaftes Etikett. Sie ist eine echte Erkrankung, deren Diagnose, Verlauf und Behandlungsprozess äußerst dynamisch und variabel sind.

Was sind die Nasennebenhöhlen und wozu dienen sie?

Die Nasennebenhöhlen sind luftgefüllte Knochenhohlräume rund um die Nase. Sie befinden sich in der Stirn, den Wangen, um die Augen und an der Schädelbasis. Normalerweise sind diese Hohlräume mit Luft gefüllt und produzieren Schleim (Nasensekret), der in die Nasenhöhle transportiert wird. Sie helfen, die eingeatmete Luft zu erwärmen und zu befeuchten, und unterstützen zudem die Resonanz der Stimme.

Wie entwickelt sich eine Sinusitis?

Bei Erkrankungen der oberen Atemwege wie Erkältungen, Grippe oder Allergien kann die Verbindung der Nebenhöhlen zur Nase blockiert werden. Dadurch wird die Luftzirkulation in den Nebenhöhlen gestört, der Sauerstoffgehalt sinkt, und es entsteht ein günstiges Umfeld für Bakterienwachstum. Genau dann entwickelt sich eine Infektion und es kommt zur Sinusitis.

Dieser Zustand wird nicht immer chronisch. Meistens ist er vorübergehend und kann sogar ohne Medikamente ausheilen. In manchen Fällen ist jedoch eine Behandlung notwendig – wird diese nicht richtig durchgeführt, kann es zu längerfristigen Problemen kommen.

Unterschied zwischen akuter und chronischer Sinusitis

Hier ist eine wichtige Unterscheidung zu treffen:

  • Akute Sinusitis liegt vor, wenn die Symptome nicht länger als einen Monat andauern. Sie ist meist infektiös bedingt und heilt oft von selbst oder mit einer kurzen Antibiotikatherapie.
  • Chronische Sinusitis bedeutet, dass die Symptome länger als drei Monate andauern. Es ist jedoch nicht immer korrekt, wie oft angenommen, dass eine akute Sinusitis durch fehlende Behandlung chronisch wird. Chronische Sinusitis beruht meist auf anatomischen, immunologischen oder umweltbedingten Faktoren und unterscheidet sich klinisch von der akuten Form.

Die häufigsten Symptome einer Sinusitis

Welche Beschwerden hat ein Patient mit Sinusitis?

Gesichts- und Kopfschmerzen

Besonders Schmerzen in der Stirn, den Schläfen und um die Augen sind häufig. Die Schmerzen können morgens stärker sein oder sich beim Vornüberbeugen verstärken.

Verstopfte Nase

Patienten berichten, dass sie nicht durch die Nase atmen können und nachts mit offenem Mund schlafen. Dies deutet auf gefüllte Nebenhöhlen und eine Schwellung der Nasenschleimhaut hin.

Postnasaler Schleimabfluss

Klebriger, manchmal übelriechender Schleim, der in den Rachen läuft, ist ein häufiges Beschwerdebild. Er zeigt sich oft durch morgendliche Hustenanfälle.

Geruchs- und Geschmacksverlust

Wenn die Nebenhöhlen entzündet sind, funktioniert der Geruchssinn schlechter, was auch das Geschmacksempfinden beeinträchtigen kann.

Husten (besonders nachts)

Der Schleimabfluss in den Rachen reizt diesen in liegender Position und führt zu nächtlichem Husten.

Müdigkeit und Erschöpfung

Dies ist besonders bei chronischer Sinusitis häufig. Eine dauerhafte Nasenverstopfung beeinträchtigt den Schlaf und führt zu allgemeiner Schwäche.

Häufige Irrtümer in der Bevölkerung

  • „Wenn man einmal Sinusitis hatte, bleibt sie für immer.“
    Nein. Eine akute Sinusitis ist vorübergehend und kann mit richtiger Behandlung vollständig ausheilen.
  • „Sinusitis verursacht nur Kopfschmerzen.“
    Nein. Nicht jeder Kopfschmerz ist Sinusitis, und nicht jede Sinusitis verursacht Schmerzen. Besonders bei der chronischen Form stehen eher Verstopfung und Schleimabfluss im Vordergrund.
  • „Jede auf dem Röntgenbild sichtbare Nebenhöhlenfüllung ist eine Sinusitis.“
    Nein. Bildgebende Befunde müssen immer mit den klinischen Symptomen gemeinsam bewertet werden – andernfalls kann es zu unnötigen Behandlungen kommen.

Wann sollten Sie einen Arzt aufsuchen?

  • Wenn Symptome wie verstopfte Nase, Schleimabfluss und Gesichtsschmerzen länger als 10 Tage anhalten,
  • wenn sich die Beschwerden verschlimmern,
  • wenn Sie häufig Sinusitis-Anfälle haben oder Ihre Lebensqualität beeinträchtigt ist – dann sollten Sie unbedingt einen HNO-Arzt aufsuchen.

Fazit: Sinusitis ist keine Diagnose, vor der man Angst haben muss

Sinusitis ist eine Erkrankung, die mit der richtigen Diagnose und Behandlung gut kontrolliert werden kann. Der Zugang zu korrektem Wissen und das Vermeiden falscher Vorstellungen sind der erste und wichtigste Schritt im Behandlungsprozess. Sowohl bei akuter als auch bei chronischer Sinusitis hilft ein Arzt, der zuhört und gründlich untersucht, unnötige Antibiotika und falsche Eingriffe zu vermeiden.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Kann Sinusitis von selbst heilen?
Ja, einige milde akute Fälle können ohne Medikamente durch ausreichend Flüssigkeitszufuhr und Ruhe von selbst heilen. Wenn die Symptome jedoch länger als 10 Tage andauern, sollte ein HNO-Arzt aufgesucht werden.

Dauert chronische Sinusitis ein Leben lang?
Nein. Wenn die zugrunde liegende Ursache erkannt wird und eine geeignete Behandlung erfolgt, kann chronische Sinusitis kontrolliert oder sogar vollständig geheilt werden – wenn nötig, auch operativ.

Verursacht Sinusitis immer Kopfschmerzen?
Nein. Besonders bei chronischer Sinusitis sind Symptome wie verstopfte Nase, Schleimabfluss und Geruchsverlust häufiger als Kopfschmerzen.

Ist eine gefüllte Nebenhöhle auf dem Röntgenbild immer ein Zeichen für Sinusitis?
Nein. Ein entsprechender Befund in Röntgen oder CT reicht allein nicht zur Diagnose. Die klinischen Symptome müssen berücksichtigt werden.

Ist eine Operation bei Sinusitis immer notwendig?
Nein. Die meisten Sinusitis-Fälle lassen sich medikamentös behandeln. Bei chronischen und therapieresistenten Fällen können jedoch dauerhafte Lösungen wie eine endoskopische Nasennebenhöhlenoperation in Betracht gezogen werden.

Denken Sie daran: Nicht jede Nasenverstopfung ist Sinusitis. Nicht jeder Kopfschmerz ist Sinusitis. Eine richtige Diagnose bedeutet auch eine richtige Behandlung.
Ich wünsche Ihnen gesunde Atemwege.
Prof. Dr. Gediz Murat Serin

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