Allergie oder Sinusitis? Unterscheidungsleitfaden in 5 Fragen

Prof. Dr. Gediz Murat Serin – HNO-Facharzt | Teşvikiye HNO-Gruppe

Einleitung: Warum ist diese Unterscheidung wichtig?

Ein erheblicher Teil der Patienten, die meine Klinik aufsuchen, kommen und glauben, sie seien „Sinusitis-Patienten“ aufgrund langanhaltender Nasenverstopfung, Ausfluss, Kopfschmerzen und Geruchsverlust; während andere, obwohl sie seit Jahren einen allergischen Hintergrund haben, dieses Bild herunterspielen und denken „es wird vergehen“. Dabei haben allergische Rhinitis und Sinusitis unterschiedliche Ursprünge; der Behandlungsplan unterscheidet sich daher entsprechend. Allergie ist eine übermäßige Reaktion des Immunsystems auf Umweltstoffe; Sinusitis hingegen ist eine bakterielle Entzündung, die meist nach einer viralen Infektion der oberen Atemwege entsteht. In beiden Fällen sind die Schleimhäute, die die Nebenhöhlen auskleiden, betroffen.

In meiner fast zwanzigjährigen HNO-Praxis kann ich als Arzt, der insbesondere im Bereich der endoskopischen Nasennebenhöhlenchirurgie und anderer nasaler Funktionschirurgien arbeitet, klar feststellen: Allergie und Sinusitis überschneiden sich bei den meisten Patienten; die eine zu ignorieren und zu versuchen, die andere zu behandeln, schafft Grundlagen für Rückfälle und unnötige Medikamenten-/Antibiotikaverwendung. In diesem Artikel werde ich mich darauf konzentrieren, die beiden Krankheitsbilder unter sechs Hauptüberschriften zu unterscheiden, wobei ich auch die reale Falldynamik im Feld berücksichtige; ich werde zwischendurch kurze Notizen aus meinem individuellen klinischen Ansatz hinzufügen.

1) Dauer und Saisonalität

Die allergische Rhinitis zeigt bei den meisten Patienten einen saisonalen Charakter. Im Frühling und Sommer werden Beschwerden nach Kontakt mit Pollen, Hausstaubmilben, Schimmelsporen oder Tierhaaren deutlicher. Bei einigen Patienten hält die Allergie das ganze Jahr über an; besonders in Fällen, in denen Innenraumallergene dominant sind, wird die Saisonalität weniger ausgeprägt. Dennoch sind schwankende Nasenverstopfung während des Tages und aufeinanderfolgende Niesattacken typisch.

Sinusitis beginnt hingegen häufig nach einer Infektion der oberen Atemwege. Nasenverstopfung, die länger als 10 Tage nach dem Abklingen einer Erkältung anhält, dicker farbiger postnasaler Ausfluss, ein Schweregefühl im Gesichts- und Stirnbereich und eine Fülle, die sich beim Vorbeugen verstärkt, sind die häufigsten Befunde, die wir beobachten. Akute Sinusitis spricht in dieser Phase auf medizinische Behandlung an; Beschwerden, die trotz Behandlung 12 Wochen überschreiten, lassen die Notwendigkeit von Bildgebung und fortgeschrittener Behandlung vermuten.

Klinische Notiz: In meiner Routinepraxis reduziert die Klärung der Anamnese auf einer Zeitachse deutlich unnötige Bildgebung und Antibiotikaverwendung. Fragen wie „Wann hat es begonnen, wie verlief die Symptomkurve, gibt es saisonale und Umgebungsauslöser?“ bilden das Rückgrat der Unterscheidung.

2) Art und Farbe des Ausflusses

Bei Allergie ist der Ausfluss wässrig, farblos und reichlich. Er kann morgens zunehmen; dies ist das Ergebnis von über Nacht angesammelten Sekretionen und des beim Aufwachen verstärkten Niesreflexes. Häufig werden Nasenjucken und ein Kratzgefühl im Gaumen begleitet.

Bei Sinusitis ist der Ausfluss dick, gelb-grün gefärbt und manchmal übelriechend. Der postnasale Ausfluss erzeugt morgens ein klebriges Gefühl im Hals; Patienten beschreiben es als „es fühlt sich an, als würde es in meinen Hals fließen, ich möchte es ständig reinigen“. Einseitiger dicker Ausfluss, begleitende Zahnschmerzen oder Empfindlichkeit im Oberkiefer erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer odontogenen (zahnbedingten) Sinusitis.

Klinische Notiz: Die Farbe und Konsistenz des Ausflusses stellt allein keine Diagnose; jedoch ist sie in Kombination mit der richtigen Anamnese wegweisend. Eine gelb-grüne Farbänderung, die zu klarem Ausfluss auf allergischem Hintergrund hinzugefügt wird, weist meist auf eine sekundäre Sinusitis hin.

3) Verstopfung und Druckgefühl

Bei Allergie ist die Verstopfung schwankend. Manchmal verschließt sich eine Seite, manchmal beide Seiten; das Öffnen und Schließen während des Tages ist üblich. Eine Muschelhypertrophie kann begleiten; in diesem Fall nehmen nächtliches Schnarchen und Mundatmung zu.

Bei Sinusitis ist die Verstopfung hartnäckiger und kontinuierlicher. Druck in der Stirn, um die Augen und im Jochbeinbereich; Schmerzen, die sich beim Vorbeugen verstärken, und ein Gesichtsschweregefühl können besonders bei Aktivitäten wie Kauen und Treppensteigen ausgeprägt werden. Wenn Geruchsverlust zum Bild hinzukommt, verstärkt sich die Wahrscheinlichkeit einer chronischen Entzündung mit gestörter Drainage an den Sinusostien.

Klinische Notiz: Bei der Untersuchung bewerte ich das Ödem in den unteren und mittleren Muscheln zusammen mit der Septumdeviation. Die Kombination Allergie + Deviation kann dazu führen, dass der Patient die Symptome schwerer als erwartet wahrnimmt; der Behandlungsplan muss entsprechend abgestuft werden.

4) Wann ist Bildgebung erforderlich?

Bei allergischer Rhinitis ist bei den meisten Patienten keine Bildgebung erforderlich. Die Diagnose wird durch Anamnese, körperliche Untersuchung, Endoskopie und Allergietests bei geeigneten Patienten gestellt. Die endoskopische Untersuchung, um die Wirkung der Allergie in der Nase zu sehen, ist ein wertvoller Schritt sowohl für die Diagnose als auch für die Personalisierung der Behandlung.

Bei Sinusitis ist die endoskopische Untersuchung der erste Schritt. Befunde wie eitrige Sekretion im mittleren Nasengang, Polypen, Concha bullosa, paradoxe Muschel oder anatomische Verengung bestimmen den Weg, den wir in der Behandlung verfolgen werden. Die Computertomographie kommt in diesen Situationen zum Einsatz: Beschwerden, die sich trotz 6–12 Wochen angemessener medizinischer Behandlung nicht bessern, häufig wiederkehrende Attacken, Verdacht auf Polypen oder chirurgische Planung. Es ist ebenso wichtig, unnötige CTs zu vermeiden, wie sie zum richtigen Zeitpunkt mit den richtigen Schnitten durchzuführen.

Klinische Notiz: Bei Patienten, für die ich eine navigationsgestützte Chirurgie plane, erhöht ein aktueller und hochauflösender CT-Satz die chirurgische Sicherheit deutlich. Dieser Unterschied wird besonders bei Revisionschirurgien spürbar.

5) Grundlegende Unterschiede in den Behandlungsansätzen

Bei allergischer Rhinitis ist die Hauptachse: Vermeidung von Auslösern, nasale Kortikosteroid-Sprays, bei Bedarf Antihistaminika der zweiten Generation und Nasenspülprotokoll. Mit geeigneter Patientenauswahl kann auch eine Immuntherapie in Betracht gezogen werden. In Fällen, in denen die Muschelhypertrophie dominant ist und die Symptombelastung trotz medizinischer Behandlung hoch ist, plane ich stufenweise funktionserhaltende Verkleinerungsmethoden.

Bei Sinusitis konzentriert sich die Behandlung darauf, Entzündung und Infektion in der akuten Phase zu kontrollieren: Nasenspülung, rechtzeitige nasale Steroide und leitlinienkonforme Antibiotika, wenn klinische Anzeichen eines sekundären bakteriellen Prozesses vorliegen. In chronischen Fällen, wenn Polypen begleiten oder anatomische Verengungen die Drainage dauerhaft beeinträchtigen, kommt die endoskopische Nasennebenhöhlenchirurgie auf die Tagesordnung. Die Operation öffnet die natürlichen Ostien der Nebenhöhlen und reinigt krankes Gewebe; das postoperative regelmäßige Spül- und topische Steroidprotokoll reduziert das Rezidivrisiko erheblich.

Klinische Notiz: Bei Sinusitis-Fällen mit allergischem Hintergrund präsentiere ich die Chirurgie nicht allein als „ultimative Lösung“. Die Operation normalisiert die nasale Physiologie; wenn die zugrunde liegende entzündliche Belastung nicht kontrolliert wird, ist ein Rezidiv möglich. Daher bestimmt die Besprechung des postoperativen Pflege- und Allergie-Managementplans von Anfang an den Behandlungserfolg.

Situationen, in denen Allergie und Sinusitis zusammen auftreten

In der Praxis treten beide bei vielen Patienten zusammen auf. Allergisches Ödem verengt die Ostien und stört die mukoziliäre Clearance; dies schafft Grundlagen für Sinusitis. Die Behandlung des allergischen Hintergrunds kann sowohl den Antibiotikabedarf als auch die chirurgische Notwendigkeit reduzieren. Daher ist eine duale Strategie unerlässlich: Entzündung unterdrücken und Drainage wiederherstellen.

Klinische Notiz: Bei polypoider Erkrankung, insbesondere bei Patienten mit Asthma und Aspirin-Empfindlichkeit, müssen medizinische und chirurgische Ansätze sorgfältiger geplant werden. In dieser Gruppe sind regelmäßige Nachsorge und personalisierte topische Steroid-Irrigationsprotokolle von kritischer Bedeutung.

Nasenspülung: Scheint einfach, hat große Wirkung

Die Spülung mit geeigneter Lösung und Technik ist der Grundstein sowohl bei allergischem Hintergrund als auch bei Sinusitis. Die Lösung sollte warm sein, der Kopf nach vorne geneigt und der Mund offen gehalten werden; die Nasenhöhle sollte nicht mit Druck, sondern mit kontrolliertem Fluss gefüllt werden. Falscher Winkel und übermäßiger Druck erschweren die hintere Drainage und erzeugen ein Unbehagen.

Klinische Notiz: Das Bereitstellen einer kurzen Einzelanwendungsschulung für den Patienten nach der Untersuchung erhöht die Therapietreue deutlich. Ich plane es normalerweise zweimal täglich; dreimal während intensiver Symptomperioden.

Häufiger Fehler bei Dekongestiva und nasalen Steroiden

Nasale Steroid-Sprays (Mometason, Fluticason usw.) sind sicher, wenn sie langfristig und mit der richtigen Technik verwendet werden; das Spray sollte im richtigen Winkel in die Nase gerichtet werden, ohne das Septum zu treffen, und regelmäßig verwendet werden. Im Gegensatz dazu verursacht die Verwendung von abschwellenden Dekongestiva-Sprays (Oxymetazolin, Xylometazolin) für mehr als 5–7 Tage ein Rebound-Ödem; die Beschwerden des Patienten verschlechtern sich schnell. Daher ist die vorübergehende Erleichterung, die es anfangs bietet, irreführend.

Klinische Notiz: In Fällen von Rhinitis medicamentosa aufgrund übermäßiger Dekongestiva-Verwendung erziele ich mit einem kontrollierten Absetzprotokoll und nasaler Steroidunterstützung innerhalb weniger Wochen eine deutliche Besserung.

Odontogene (zahnbedingte) Sinusitis: Ein Thema, das nicht übersehen werden darf

Einseitiger dicker Ausfluss, Empfindlichkeit der oberen Backenzähne, kürzlich durchgeführte Wurzelkanalbehandlung, Implantat- oder Sinuslift-Anamnese sind wichtig. Zahnwurzeln und der Boden der Kieferhöhle sind enge Nachbarn; nach Eingriffen kann das Austreten von Füllmaterial in die Nebenhöhle oder die Entwicklung einer oroantalen Öffnung zu resistenter Sinusitis führen. In diesem Bild ist die Zusammenarbeit zwischen HNO-Arzt und Zahnarzt unerlässlich; die endoskopische Reinigung sollte gleichzeitig mit dem dentalen Fokus verwaltet werden.

Klinische Notiz: In dieser Gruppe ist der Hauptfaktor, der den Behandlungserfolg bestimmt, die vollständige Kontrolle des dentalen Fokus. Nur die Nebenhöhle zu reinigen geht nicht über das Verschieben des Problems hinaus.

Allergie und Sinusitis bei Kindern

Bei Kindern können langanhaltende Nasenverstopfung, nächtliches Schnarchen, Schlafen mit offenem Mund, wiederkehrender Husten und postnasaler Ausfluss das Bild begleiten. Da Adenoidhypertrophie (Rachenmandel) in dieser Altersgruppe häufig vorkommt, muss die Bewertung entsprechend der pädiatrischen Altersdynamik erfolgen. Die meisten Fälle bessern sich mit medizinischer Behandlung; chirurgische Grenzen müssen gut definiert und unnötige Eingriffe vermieden werden.

Klinischer Ansatz: Bei pädiatrischen Fällen halte ich die Bildgebung so begrenzt wie möglich und führe die endoskopische Untersuchung mit altersgerechten sanften Protokollen durch. Ich gebe der Familie einfache Nasenpflege und Umweltanpassungen schriftlich.

Nasenbeschwerden während der Schwangerschaft

Schwangerschaftsrhinitis kann aufgrund hormoneller Einflüsse ein Ödem der Nasenschleimhaut verursachen. Die Medikamentenwahl erfordert in dieser Zeit Aufmerksamkeit; ich bevorzuge sichere, nicht-medikamentöse Methoden (isotonische Spülung, Schlafen in geeigneter Position, Luftfeuchtigkeitsmanagement) zu priorisieren. Bei Bedarf stelle ich einen koordinierten Plan mit dem Geburtshelfer auf.

Mein klinischer Ansatz: Schrittweise und personenspezifisch

1-) Zeitachsenbasierte, auf Auslöser abzielende detaillierte Anamnese.

2-) Objektive Bewertung der nasalen Anatomie und entzündlichen Belastung durch endoskopische Untersuchung.

3-) Test mit geeignetem Panel bei Allergieverdacht; Notierung von begleitendem Reflux, Rauchen, beruflichen Expositionen.

4-) Zuerst medizinische Optimierung: Spülung, nasales Steroid, bei Bedarf Antihistaminikum; Durchbrechen schlechter Gewohnheiten.

5-) Rationale und rechtzeitige Bildgebung bei persistierenden Symptomen.

6-) Endoskopische Nasennebenhöhlenchirurgie bei anatomischer Verengung, Polypen oder resistenter Drainagestörung; strukturierte Pflege und enge Nachsorge nach der Operation.

7-) Dieser Ansatz reduziert die Raten unnötiger Antibiotika und unnötiger CTs deutlich und senkt auch das Rezidivrisiko bei Fällen, die zur Operation gehen.

Häufig gestellte Fragen

1-) Wird Sinusitis zu Allergie?

Sie wird nicht; jedoch erhöht allergischer Hintergrund die Prädisposition für Sinusitis. Das gemeinsame Management beider reduziert Rückfälle.

2-) Wann sollte ein Allergietest durchgeführt werden?

Ich plane einen Test bei saisonalen-wiederkehrenden Beschwerden, Symptomen, die länger als 3 Monate andauern, familiärer Allergieanamnese oder persistierender Verstopfung trotz medizinischer Behandlung.

3-) Wie lange sollte ich die Sprays verwenden?

Wir verwenden nasale Steroide entsprechend dem Arztplan wochen- bis monatelang. Ich gebe Dekongestiva als kurze Brücke bei bestimmten Indikationen, ohne 5–7 Tage zu überschreiten.

4-) Verursacht Nasenspülung Schleimhauttrockenheit?

Im Gegenteil, mit der richtigen Lösung und Technik sorgt sie für Schleimhautreinigung und Hydratation. Wenn ein Reizgefühl auftritt, überprüfen wir den Flusswinkel und -druck.

5-) Wann ist ein CT erforderlich?

Bei chronischen Symptomen, die sich trotz angemessener Behandlung in 6–12 Wochen nicht bessern, häufigem Rezidiv, Verdacht auf Polypen oder chirurgischer Planung. Wir fordern bei der ersten Untersuchung in den meisten Fällen kein CT an.

6-) Ist Geruchsverlust dauerhaft?

Bei Allergie normalerweise vorübergehend, bei Sinusitis kann der Prozess sich verlängern. Mit früher endoskopischer Bewertung, angemessener Behandlung und Geruchsrehabilitation wird bei den meisten Patienten eine signifikante Verbesserung erzielt.

Fazit: Richtige Unterscheidung, richtige Behandlung

Obwohl die Unterscheidung zwischen allergischer Rhinitis und Sinusitis auf dem Papier klar erscheint, überschneiden sie sich im Feld häufig. Der Erfolg in der Behandlung kommt durch das Management von Auslösern, die Normalisierung der nasalen Physiologie und bei Bedarf die dauerhafte Etablierung der Drainage durch Chirurgie. In meinem Ansatz ist der Patient kein passiver Follower des Prozesses; er ist ein aktiver Stakeholder, der Pflegeschritte lernt und anwendet. Auf diese Weise können wir unnötige Medikamentenverwendung und Rückfälle reduzieren.

 

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